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Zur Situation der Ukraine mit Fokus Odessa

Ein Bericht von Max Schmid über die Veranstaltung des Forums Ost-West

„Zur Situation in der Ukraine mit Fokus Odessa“ in  Bern am 24.4.2014

Im Zentrum unserer Veranstaltung stand die Ukraine und ihr Konflikt mit Moskau. Im Besonderen wollten wir im Gespräch  mit dem Schweizer Geschäftsmann Max Hilpert, der in Odessa  wohnt und arbeitet, die Stimmung in dieser südukrainischen  Stadt, erkunden.

Zuvor machte ich eine Einführung zum Thema Ukraine und Russland. Dies ebenfalls  aus einer  sehr persönlichen Erfahrung heraus.

Seit ein paar Wochen ist das Gespräch mit einigen meiner Moskauer Freunde schwierig  geworden. Mein bester Freund,  hatte immer eine kritische Haltung gegenüber dem Kreml und hatte auch keine Sympathie für den russischen Nationalismus – ganz im Gegenteil. Doch jetzt gehört er zu jener Mehrheit der russischen Bevölkerung die laut einer Umfrage des Levada-Zentrums die Politik von Präsident Putin auf der Krim und in der Ostukraine unterstützt. Deshalb streiten wir oft miteinander.

Für meinen Freund -wie für die meisten Russen – gibt es keine Zweifel, dass hinter der Revolution auf dem Maidan der Westen steht und dass die neue Regierung in Kiew illegal ist und von der extremen Rechten, sprich Faschisten, angeführt wird.

Aus westlicher Sicht war der Maidan eine Revolution der Würde, bei der es um Werte ging, die in der  Ukraine als europäisch  verstanden werden.

Mein russischer Freund und ich, wir leben jetzt in parallelen Welten. Das hat aus meiner  Sicht vor allem mit der einseitigen Information der Bevölkerung durch die russischen Medien zu tun, die jedem ins Auge sticht, der zurzeit russische TV-kanäle schaut. Dort ist seit Monaten eine Propaganda-Maschine am Laufen, die ihresgleichen sucht im Europa des 21.Jahrhunderts.

Andererseits – das zeigte sich auch in unserer Veranstaltung –  bestehen auch Zweifel an der Richtigkeit westlicher Politik gegenüber Russland. Nur: diese können bei uns frei geäussert und  kontrovers diskutiert werden. In Russland  gibt es praktisch keine kritische Öffentlichkeit mehr, die den Machthabern sagen könnte: „Jetzt ist genug!“. Im Gegenteil: Es herrscht eine triumphale Stimmung und die weitgehend kontrollierten Medien können sich von diesem Gefühl des Triumphes nicht lösen.

Die Zustimmung zu Präsident Putin erreicht mit 80 % (gemäss einer Umfrage des regierungsunabhängigen Levada-Zentrums) Rekordwerte: Mehr als zwei Drittel der russischen Bevölkerung unterstützen Putins Politik gegenüber der Ukraine und werfen dem Westen vor, den Konflikt in der Ukraine provoziert zu haben.

Aus seiner Sicht könnte Putin mit dem, was er durch die harsche Politik gegenüber der Ukraine bereits erreicht  hat, eigentlich zufrieden sein. Seinem eigenen Volk hat er  erfolgreich den Traum eines glorreichen Russlands verkauft und die revolutionäre Ukraine ist destabilisiert und geschwächt worden. Den Russen und anderen Völkern in der GUS hat er klar gemacht, dass mit Revolutionen à la Maidan nichts Positives  erreicht werden kann.

Im zweiten Teil der Veranstaltung hat Max Hilpert anschaulich geschildert,  wie unterschiedlich seine Mitbewohner in Odessa  auf die Ereignisse der letzten Monate reagiert  haben.

Mit Sympathien und Unterstützung für die Anliegen des Maidan  die einen, mit Angst vor dem angeblichen Chaos und mit Sympathie für Russlands Rolle die andern.  Besonders interessant sind die Aussagen eines wohlhabenden Odessiten, der Hilpert anvertraut hat, dass er mit seinen Freunden die Demonstranten auf dem Maidan finanziell unterstützt habe und der entschieden nicht der Meinung ist, die Unterstützung für den Maidan sei aus dem Ausland gekommen. Bemerkenswert war auch die Feststellung Hilperts, dass es zwar in Odessa viele gäbe, die den Maidan kritisch beurteilten und die neue  Regierung in Kiew ablehnten, dass aber in dieser faszinierenden Stadt am Schwarzen Meer, kaum jemand einen Anschluss der Süd- oder Ostukraine an die Russ. Föderation wünsche .

Die anschliessende Diskussion war sehr lebhaft. Es war viel Kritik an der Kreml-Politik zu hören, aber es  war eine differenzierte Kritik, die kaum von westlicher Selbstgewissheit getragen wurde.