Der russische Präsident holt in regelmäßigen Abständen sportliche Großanlässe, wie die in den kommenden Tagen startende Fussballweltmeisterschaft, ins Land. Er beteuert, dass diese Anlässe nichts mit Politik zu tun haben.
Für den russischen Satiriker und Kreml-Kritiker Wiktor Schenerowitsch ist dies jedoch nicht glaubwürdig. Die Weltmeisterschaft ist für den Kreml ein mächtiges Propaganda- Instrument. Sie ist ein großartiger PR-Anlass und für die Propaganda in eigener Sache geeignet. Da sich Millionen von Menschen für Fußball begeistern, liegt es auf der Hand, dass PolitikerInnen damit in Verbindung gebracht werden wollen. Dabei gilt: je widerlicher eine Staatsmacht ist, umso mehr benutzt sie den Sport. Schenerowitsch´ These: In autoritären Ländern hat der Sport eine viel größere Bedeutung als in Demokratien. In Europa freuten sich die Fans beim Gewinnen auch, behielten jedoch eine gewisse Distanz. Man wisse, dass es nur um Sport gehe. In Russland sei es laut Schenerowitsch hingegen viel mehr. Es sei ein Ersatz, denn die Leute sind arm, die Staatsmacht willkürlich und die Natur verschmutzt. Als Ersatz für diese Entbehrungen siegen die russischen Sportler. Die Leute benehmen sich dann wie Kinder denen man ein buntes Spielzeug in die Hand drückt.
Durch die ausgetragenen Sportanlässe sind vielerorts neue Stadien wie Kathedralen, Land auf Land ab, entstanden welche das Ortsbild dominieren. Dies habe jedoch nichts mit Politik zu tun betont der Kreml immer und immer wieder. Schenerowitsch betont hingegen, dass der große internationale Sport immer politisch sei (Verweis auf Olympiade 1936). Die BesucherInnen werden Moskau sehen, auch andere Städte, hübsche Frauen und ein großes Fest feiern. Dieses gastfreundliche Russland führt jedoch auch Krieg und in den Gefängnissen sitzen politische Gefangene.
Schenerowitsch meint, dass Russland nicht das dritte Reich sei. Auch nicht die Sowjetunion. Russland sei ein ungleich viel freieres und offeneres Land. Es sei jedoch schon immer gut darin gewesen ein geschöntes Bild von der Realität zu vermitteln. Für ihn ist die WM vor allem eine Show. Ein autoritäres Regime zieht sich das Fussballtrikot an wie ein Wolf den Schafspelz. Millionen hat der Kreml investiert um die Städte aufzuhübschen. Doch diese Modernisierung und Verschönerung sei nur oberflächlich. Er sei sich sicher das nach der WM eine neue Welle der Repression über das Land rollen wird sobald das letzte Spiel abgepfiffen ist. Es sei also nur eine kurze Verschnaufpause für die unterdrückte Opposition.
Was also tun. Boykottieren? Er sei für einen Boykott. Man solle dem Kreml diese Werbeplattform nicht bieten. Aber er verstehe auch, dass niemand einen Boykott tatsächlich durchführen will. Die Fans und Spieler werden alle kommen. Denn auch er sei ein passionierter Fußballfan.
13.06.2018, Marcel Zwygart