Archiv für den Monat: Juni 2018

David Nauer, Aus dem Interview mit Wiktor Schenerowitsch, in Echo der Zeit, 11.Juni 2018

Der russische Präsident holt in regelmäßigen Abständen sportliche Großanlässe, wie die in den kommenden Tagen startende Fussballweltmeisterschaft, ins Land. Er beteuert, dass diese Anlässe nichts mit Politik zu tun haben.

Für den russischen Satiriker und Kreml-Kritiker Wiktor Schenerowitsch ist dies jedoch nicht glaubwürdig. Die Weltmeisterschaft ist für den Kreml ein mächtiges Propaganda- Instrument. Sie ist ein großartiger PR-Anlass und für die Propaganda in eigener Sache geeignet. Da sich Millionen von Menschen für Fußball begeistern, liegt es auf der Hand, dass PolitikerInnen damit in Verbindung gebracht werden wollen. Dabei gilt: je widerlicher eine Staatsmacht ist, umso mehr benutzt sie den Sport. Schenerowitsch´ These: In autoritären Ländern hat der Sport eine viel größere Bedeutung als in Demokratien. In Europa freuten sich die Fans beim Gewinnen auch, behielten jedoch eine gewisse Distanz. Man wisse, dass es nur um Sport gehe. In Russland sei es laut Schenerowitsch hingegen viel mehr. Es sei ein Ersatz, denn die Leute sind arm, die Staatsmacht willkürlich und die Natur verschmutzt. Als Ersatz für diese Entbehrungen siegen die russischen Sportler. Die Leute benehmen sich dann wie Kinder denen man ein buntes Spielzeug in die Hand drückt.

Durch die ausgetragenen Sportanlässe sind vielerorts neue Stadien wie Kathedralen, Land auf Land ab, entstanden welche das Ortsbild dominieren. Dies habe jedoch nichts mit Politik zu tun betont der Kreml immer und immer wieder. Schenerowitsch betont hingegen, dass der große internationale Sport immer politisch sei (Verweis auf Olympiade 1936). Die BesucherInnen werden Moskau sehen, auch andere Städte, hübsche Frauen und ein großes Fest feiern. Dieses gastfreundliche Russland führt jedoch auch Krieg und in den Gefängnissen sitzen politische Gefangene.

Schenerowitsch meint, dass Russland nicht das dritte Reich sei. Auch nicht die Sowjetunion. Russland sei ein ungleich viel freieres und offeneres Land. Es sei jedoch schon immer gut darin gewesen ein geschöntes Bild von der Realität zu vermitteln. Für ihn ist die WM vor allem eine Show. Ein autoritäres Regime zieht sich das Fussballtrikot an wie ein Wolf den Schafspelz. Millionen hat der Kreml investiert um die Städte aufzuhübschen. Doch diese Modernisierung und Verschönerung sei nur oberflächlich. Er sei sich sicher das nach der WM eine neue Welle der Repression über das Land rollen wird sobald das letzte Spiel abgepfiffen ist. Es sei also nur eine kurze Verschnaufpause für die unterdrückte Opposition.

Was also tun. Boykottieren? Er sei für einen Boykott. Man solle dem Kreml diese Werbeplattform nicht bieten. Aber er verstehe auch, dass niemand einen Boykott tatsächlich durchführen will. Die Fans und Spieler werden alle kommen. Denn auch er sei ein passionierter Fußballfan.
13.06.2018, Marcel Zwygart

Kim, Krim und Trump:

Kim, Krim und Trump: Der Absichtserklärung von Singapur sollten Taten folgen. Sonst müsste man sich nach den negativen Effekten umsehen und über mögliche Folgen Gedanken machen- wie das z. B. die Direktorin der Genfer Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen formuliert:

„Der Gipfel sei eine Willkommens- Party des Atomwaffen-Klubs gewesen.“

Es besteht die grosse Gefahr, dass sich alle potenziellen AW-Produzenten dadurch ermutigt fühlen, etwa Iran usw. GD

Freiheit und die Verantwortung?

Die Fussball-WM steht vor der Tür

Die westlichen Staaten und die Russische Föderation befinden sich seit der Annexion der Krim in einer gefährlichen Sanktionsspirale, welche durch weitere Verstöße gegen internationale Konventionen immer weiter zu beschleunigen droht. Gibt es Möglichkeit mit dieser Situation verantwortungsvoll umzugehen?

Einen günstigen Zeitpunkt hierzu kann die Fussball-Weltmeisterschaft in Russland bieten. Viele Politiker werden diesem Ereignis beiwohnen wollen, um Beziehungen zu anderen Länder zu Pflegen oder auch nur um dem alltäglichen politischen Trott zu entkommen. Welcher Preis muss jedoch für den Auftritt auf der Bühne des Kremls bezahlt werden? Denn die Eingeladenen werden sich selbst die Frage stellen müssen ob sie den vom Kreml eingeschlagenen Kurs mit ihrer Präsenz mitlegitimieren, unterstützen und sich für fragwürdige Zwecke einspannen lassen wollen.

Der Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Markus N. Beeko, meint im Interview in der Neuen Osnabrücker Zeitung hierzu: „Vor dem Hintergrund der massiven Einschränkungen der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Russland, der Ukraine-Annexion und der russischen Beteiligung an Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht in Syrien wird sich jeder Politiker genau überlegen müssen, wann er oder sie wo dabei sein sollte.“ Denn genau solche Sportereignisse werden gerne von Regierungen genutzt „um sich in ein vorteilhaftes Licht zu rücken und um auch nach innen Größe, Stärke und weltweite Anerkennung zu demonstrieren.“

Natürlich stellt sich die Frage inwieweit ein politisches Amt diese Freiheit der Entscheidung zulässt. So meint Alt-Bundesrat Didier Burkhalter im Westschweizer Radio «RTS»: „Denn das Amt als Bundesrat habe eine einengende Funktion und erfordere es, sich im Namen einer Behörde auszudrücken und nicht für die eigene Person zu sprechen“. Diese Einschränkung an Freiheit ist wohl in wenigen Organisationen komplett wegzudiskutieren. Nichts desto trotz soll/wird sich jeder PolitikerIn und Wirtschaftsvertreter selbst bis zu einem gewissen Punkt entscheiden müssen inwieweit er/sie sich als Person für den Zweck der Propaganda instrumentalisieren lassen will.
Wichtig zu erwähnen ist, dass durch die selbstbestimmte Übernahme der Verantwortung durch Politiker und Wirtschaftsvertreter die Freiheit der Fussballspieler nicht verletzt wird. Diese können wie vorgesehen an einem der wichtigsten Events in ihrer sportlichen Karriere teilnehmen. Auch ihnen steht es selbst zu eine mündige Entscheidung zutreffen. Ganz nach dem Motto: Deine Freiheit geht so weit, wie sie die Freiheit des Anderen nicht einschränkt.