Archiv für den Monat: April 2017

Ist Europa reif für die Zeit?

Die Zeit ist reif für Europa. Ist Europa reif für die Zeit

(aufgrund der vielzitierten Saetze von Friedrich Nietzsche vor 120 (?) Jahren: „Die Zeit war reif für Europa. Aber Europa war nicht reif für die Zeit“) 

Die europaeische Integration steht in einer Schicksalsstunde und vor schicksalsbestimmenden Entscheidungen. Von den bei früheren Krisen und Krisenbewaeltigungen immer wieder verfügbaren drei Alternativen (Vertiefung, Desintegration oder „Durchwursteln“) sind für heute nur zwei geblieben: entweder qualitativer Sprung (oder Sprünge) nach mehr und vertiefter Integration oder Zerfall des grössten Friedens- und Zusammenarbeitsprojektes der europaeschen Geschichte. 

Interne, wie aeussere, zunehmend miteinander verflochtene Herausforderungen praegen die gegenwaertige Situation und erfordern rasche, tiefgreifende, nachhaltige und von der Bevölkerung akzeptierbare Antworten (nicht unbedingt Lösungen, aber zuverlaessiges Management):

– auf der einen Seite: Brexit, fortdauernde Probleme der Eurozone, zunehmender Populismus und anti-EU-Stimmung, die Schaffung gemeinsamer Politiken in Bereichen der Energie, Migration, Aussenpolitik, Sicherheit und Verteidigung,

– auf der anderen Seite: Trump, Putin, Erdogan, China, aber im allgemeinen zunehmender internationaler Wettbewerb, Digitalisierung, neue Kommunikationstechniken (mit erheblicher Wirkung auf unser „kulturelles Erbe“) 

Die entsprechenden und nachhaltigen Antworten der europaeischen Integration sollten in einem globalen, regionalen und nationalstaatlichen Umfeld gefunden werden, das u.a. folgende Dilemmata aufwirft:

– zunehmende zeitliche Kluft zwischen politischer und sozio-ökonomischen Rationalitaet,

– grundlegende Menschenrechte vs. europaeische Sicherheitsgarantien,

– vereinfachter Populismus vs. das Verstehen zunehmend komplexer, interdependenter und interdisziplinaerer Sachverhalte (Zusammenhaenge)

– intergenerationelle Kluft zwischen der sich alternden Generation und den nachkommenden jungen Generationen (unterschiedliche „Weltanschauung“, Erfahrungen und Verhaltensmuster) ,

– beschleunigte globale Zeit und zurückbleibende (immer mehr zu Reaktionen gezwungene) Wahrnehmungs- und Entscheidungsprozesse auf globaler, regionaler und nationaler Ebene,

– der spannungsbeladene Widerspruch zwischen historisch ausgebildeter nationaler „Souveraenitaet“ und globaler (gegenseitiger) Abhaengigkeit und Vorbestimmtheit. 

András INOTAI, Prof. Dr., Budapest

 

Analyse Nuklearmächte

Nuklearmächte China, Russland und USA

Nordkorea grenzt an zwei der drei grössten Nuklearmächte der Welt, China und Russland. Dazu kommen aufgrund der Stationierung von Streitkräften in Südkorea auch die USA dazu. Im Vergleich zu den nuklearen Arsenalen dieser drei Mächte erscheint jenes von Nordkorea wie ein Zwerg.

Russland dürfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt über 8’000 einsatzfähige und nichteinsatzfähige nukleare Gefechtsköpfe verfügen.

Bei den USA könnten es 7’300 nukleare Gefechtsköpfe sein. Das chinesische Arsenal an nuklearen Gefechtsköpfen wird auf 250 geschätzt. Gleichzeitig verfügen die drei Nuklearmächte für den Einsatz dieser nuklearen Gefechtsköpfe über ein beachtliches Arsenal an Trägersystemen (Land- und U-Boot-gestützte Ballistische Flugkörper, Langestreckenbomber).[2]

Da sich aber diese drei Nuklearmächte ausgerechnet auf der koreanischen Halbinsel gegenüberstehen, könnte das nordkoreanische Arsenal, sollte es zu dessen Einsatz kommen, wie ein Auslöser für eine gewaltige Konfrontation zwischen den drei Mächten wirken. An einer solchen Konfrontation dürften weder Washington DC noch Moskau noch Beijing ein Interesse haben. Das Problem ist nicht die Grösse und der Umfang des nordkoreanischen Arsenals, sondern die Tatsache, dass die klassischen Abschreckungstheorien hier unwirksam sind. Das Regime in Pjöngjang will offenbar mit seinem Nukleararsenal die USA zu einem Friedensvertrag erpressen und damit die Herrschaft der Kim-Familie für die Zukunft sichern. Vorgehen und Ziel entsprechen jenem der Gangsterbosse der Mafia.

Prof. A. Stahel, strategische Studien

Giftgasangriff in Syrien: Folgen

Giftgasangriff in Syrien und seine Folgen

Der Giftgasangriff in Syrien gegen die eigene Bevölkerung zeigt einmal mehr die fast vergessene Wortbrüchigkeit und Brutalität Assads. Eigentlich dürfte Syrien keine  chemischen Waffen mehr besitzen, sie sind alle offiziell vor Jahren unter internationaler Aufsicht vernichtet worden,um sowohl deren Gebrauch durch Assad als auch durch die Aufständischen zu verhindern.

Zum anderen zeigt die weltweite Verurteilung Assads  klar, dass sein rücksichtsloses Vorgehen nicht ohne weiteres und sprachlos hingenommen wird. Warum Assad zu den chemischen Waffen gerade jetzt nach den Erfolgen in Aleppo  griff, bleibt unklar. Er schwächt damit seine Verhandlungsposition massiv.

Das bekannte russische Verhalten im UNO Sicherheitsrat und die Verurteilung des amerikanischen Angriffs zeigen, dass Russland nach wie vor Assad unterstützt.Russland hat mit seinem Veto eine unabhängige Untersuchung in Syrien verhindert, wie auch bereits in anderen Fällen in Georgien und beim Flugzeugabsturz in der Ukraine.

Neu ist aber die amerikanische Reaktion mit dem gezielten Abschuss von 59 Marschflugkörpern auf den Militärflughafen bei Homs, von welchem aus der Chemieangriff geführt wurde.

Russland wurde 1,5 Stunden vor dem begrenzten Angriff durch die USA informiert und gab sehr wahrscheinlich eine entsprechende Warnung an Assad weiter.Durch diese Kommunikation wird die Bedeutung der  amerikanisch-russischen Diplomatie sichtbar. Die Regierung Trump markiert mit diesem begrenzten Angriff  ihre Entschlossenheit zu reagieren im Fall einer Überschreitung der ‚roten Linie‘. Darin unterscheidet sie sich von der verhandlungsorientierten Aussenpolitik Obamas.   Zu dieser Änderung dürfte auch der neue Sicherheitsberater des Präsidenten, General H.R. McMaster, mit seiner Erfahrung beigetragen haben.

Der russische Aussenminister S. Lawrow und sein amerikanischer Kollege R. Tillerson werden im direkten bilateralen Gespräch ihre Strategien gemeinsam besprechen und klären könnenund hoffentlich den Weg für eine internationale Untersuchung ebnen. Zudem sollte auch eine gemeinsame Position gegenüber Syrien sowie dem IS gefunden werden.

Ob die zeitliche Koinzidenz des Angriffs mit dem Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jiping in den USA zufällig war, oder ob der Angriff als eine Warngeste gegenüber Nordkorea zu verstehen ist, kann jetzt nicht beantwortet werden.

Ein amerikanischer Flottenverband nahm jedenfalls Kurs von Singapur aus Richtung koreanische Halbinsel auf.

Georg Vancura

Kommentar zum Giftgasangriff in Syrien

Zum Giftgasangriff in Nordsyrien vom 5. April 2017

Die internationale Empörung über den Giftgas-Angriff in Khan Sheikoun, Nordsyrien, ist gross. Wie das Gift freigesetzt wurde, müsste untersucht werden. Gemäss dem OPCW- Beitrittsabkommen  von 2013* wäre Syrien dazu verpflichtet gewesen, die Bestände an Giftgas aufzulösen.

Nicht nur das OPCW,  sondern auch die weltweite Oeffentlichkeit müsste Druck ausüben, damit eine Untersuchung sowie eine Beseitigung der noch vorhandenen chemischen Waffen möglich wird. Nur so kann verhindert werden, dass sich so etwas wiederholt.

Es ist nicht verständlich, dass sich die RF- bzw. Kreml-Führung gegen eine internationale unabhängige Untersuchung der Vorfälle vom 4-5. April 2017 stemmt und sich dadurch in diesem grausamen Verbrechen zu einem Komplizen Assads macht.

*—-pro memoria: Montag, 14.10. 2013:

Syrien ist offiziell der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) beigetreten. „Ab heute ist Syrien ein voller Mitgliedsstaat“, sagte Sprecher Michael Luhan: Das Land ist das 190. Mitglied der OPCW- Organisation.

Bereits im Januar 2014 soll die Zerstörung des syrischen Giftgasarsenals starten. Die Vernichtung der Bestände sollte auf einem US-Spezialschiff bis Ende Januar aufgenommen werden könne, sagte der Generaldirektor der Organisation, Ahmet Üzümcü. Die syrische Führung hatte sich im September verpflichtet, ihre Chemiewaffen zerstören zu lassen, um einen drohenden US-Militäreinsatz abzuwenden. Washington hatte Damaskus zuvor für einen Giftgasangriff nahe der Hauptstadt verantwortlich gemacht.

Bis Mitte 2014 sollte das syrische Arsenal von Chemiewaffen vollständig vernichtet sein.

Forum Ost-West, 7.04.2017