Folgen des russisch-ukrainischen Konflikts für die ukrainische Wirtschaft
Von Dr. Stanislava Brunner, Vorstandsmitglied des FOW 17.7.2014
Der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine verschärft die bereits bestehenden Probleme. Die von der internationalen Gemeinschaft (IMF, Weltbank, USA, EU) zugesprochene Finanzhilfe von insgesamt 27 Mrd. $ erweist sich als unzureichend. Die potentiellen Geldgeber sind aufgerufen, eine Art Marshall Plan (bzw. European Recovery Program) zu bilden, mit Hilfe einer Mission, welche in Herbst die Bedürfnisse, Schlüsselprioritäten und entsprechende Ressourcen präsentieren sollte.
Dieses Jahr erwartet man eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um rund 5% und das Land steht vor neuen Herausforderungen.
Es ist nicht nur der bewaffnete Konflikt – Militärausgaben, Produktions- und Steuerausfälle -, sondern auch der Handelskrieg mit Russland und die Umsetzung der vom IWF geforderten Reformen und Sparmassnahmen, welche eine starke bremsende Wirkung haben.
Moskau hat nach der Unterzeichnung auch des wirtschaftlichen Teils des Assoziationsabkommens mit der EU am 27.6. der Ukraine Retorsionsmassnahmen angedroht. Nebst der Blockade wegen „Gesundheitsbedenken“ gegen einzelne Produkte sollten die bisherigen Vergünstigungen der GUS Freihandelszone gestrichen werden. Der ukrainische Export nach Russland (24% der gesamten Exporte), vor allem von Maschinen, Anlagen und Basismetallen, dürfte schwer getroffen werden. Z.B. der Exportstopp für Rüstungsgüter nach Russland kann nicht schnell kompensiert werden durch die Umleitung der Handelsströme nach Europa. Zwar entfallen Zölle und andere Barrieren, doch müssen Gesetze und Standards auf Europa-Norm gebracht werden. Zahlreiche Firmen werden wohl kaum im westlichen Wettbewerb bestehen. Neben dem Exporteinbruch sind vor allem die ausbleibenden Investitionen gravierend. Allein im 1.Quartal 2014 sank die Investitionstätigkeit um 19% gegenüber dem Vorjahr.
Die eingeleiteten Reformschritte, vor allem die Anpassung der Gas- und Strompreise, haben die Inflation in die Höhe getrieben, im 1.Halbjahr um 10.5%. Den Sparmassnahmen werden Entlassungen folgen, insbesondere im Verwaltungsapparat. So wird die durch Zukunftsängste bereits angeschlagene Konsumbereitschaft weiter sinken. Trotz selektiver Steuererhöhungen wird der Staat nicht genug Steuern eintreiben können – vor allem soziale Programme bleiben auf der Strecke. Auch die Landwirtschaft wird unter den Reformmassnahmen leiden – so ist die Aussaat dieses Jahr wegen der hohen Treibstoffpreise um fast 40 % zurückgegangen.
Der rasante Anstieg des Schuldenbergs gegenüber ausländischen Kreditoren (u.a. der geschuldeten Zahlungen für Gaslieferungen aus Russland von 5.3 Mrd. $), konnte zwar im 1.Quartal 2014 aufgehalten werden (137, 4 Mrd. $). Doch die Tilgung der Auslandschulden (allein 2014 sind 9 Mrd. $ fällig) wird durch die 30% Hrywna- Abwertung als Folge der Flexibilisierung des Währungssystems schwieriger. Positiv dürfte sich die schwächere Währung auf das Defizit der Ertragsbilanz auswirken: wegen der Verteuerung der Importe und einer geringeren Importnachfrage als Folge der sinkenden Wirtschaftsleistung. Die noch im Februar 2014 kritisch tiefen Währungsreserven (Stand 1.Juli von 17 Mrd. $) dürften mit dem Anlaufen der internationalen Kredithilfe ein akzeptables Niveau erreichen und gar eine Refinanzierung auf den internationalen Finanzmärkten ermöglichen. Doch es findet nur eine “Umlagerung „ der Gelder statt, es wird, wie anfangs erwähnt, nicht reichen. Ein umfassendes Aufbauprogramm seitens des Westens ist erforderlich.