Heute möchte ich über einen Vergleich der Neujahrsansprachen von Bundes(rats)präsident Schneider-Ammann und Präsident Putin berichten. Es gibt unerwartet viele Parallelen:
Beide tragen einen schwarzen Mantel und ein weisses Hemd, Putin aber eine eher rote Krawatte, Schneider-Ammann eine blaue. Beide sind bleich und wirken etwas müde. Beide haben Jahrgang 1952. Die Dauer der beiden Neujahrsansprachen ist etwa gleich.
Putin (aus St. Petersburg) steht wie jedes Jahr vor dem Kreml. Putin begrüsst die verehrten russischen Bürger und lieben Freunde.
Schneider-Ammann (aus Sumiswald im Kanton Bern) steht am Rheinhafen in Basel! Schneider-Ammann begrüsst die lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Schneider-Ammann sieht die Schweiz als Insel umgeben von einer stürmischen Welt. Putin sieht Russland als Insel in einer stürmischen Welt.
Dann unterscheiden sich die Reden aber wesentlich.
Der erste Schwerpunkt der Rede von Putin ist der Dank an die vielen Menschen, die nicht mit ihren Familien feiern können, weil sie in Spitälern, der Industrie und im Militär arbeiten müssen. Sein besonderer Dank spricht er dem russischen Militär aus, dass im fernen Ausland (Syrien wird nicht ausdrücklich erwähnt) den internationalen Terrorismus bekämpft. Zweiter Schwerpunkt der Rede ist das 70. Jubiläum im Jahre 2015 des russischen Sieges im Grossen Vaterländischen Krieg. An der Stärke der russischen Grossväter sollen sich die Bürger Russlands ein Beispiel nehmen. Vereint müssen sich die russischen Bürger gegen die Bedrohungen aus dem Ausland verteidigen.
Wie Putin ruft auch Schneider-Ammann die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz angesichts der Bedrohungen aus dem Ausland zur Geschlossenheit auf. Der starke Franken, Terrorismus und Flüchtlingsströme drücken. Er sieht aber unsere Stärken in der Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Offenheit der Schweiz. Das duale Bildungssystem, die niedrige staatliche Verschuldung, die niedrige Arbeitslosigkeit, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand werden vorteilhaft erwähnt. Schneider-Ammann glaubt offensichtlich, dass der Erfolg der Schweiz im System liegt und anhält, auch wenn er vor allem von innen gefährdet ist und das System geschützt werden muss.
Putin versprühte keinen Optimismus. Höhepunkt der Neujahrsansprache war die russische Hymne nach der Rede. Die Schweizer mussten im Vor- und Nachspann zur Neujahrsansprache von Schneider-Ammann Klänge hören, die eher komisch wirkten.
Daniel Marti