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Die Ukraine: Ein multidimensionaler Konflikt

Eine Analyse von Georg J. Dobrovolny, Dr.oec. HSG

Der Kampf um die Ukraine ist nicht nur ein Ost-West-Konflikt: Offensichtlich will der Kreml von internen Problemen ablenken und benutzt seine Propaganda und sein Verwirrspiel strategisch. Er gefällt sich im Scheinwerferlicht der internationalen Aufmerksamkeit. Er gibt den Ton an, ohne zu wissen wohin die Reise führt und lädt sich eine neue Bürde auf: nach Tschetschenien und dem Krieg in und mit Georgien sind bereits zwei sog. abtrünnige Gebiete in Georgien entstanden: Abchasien – seit 1992 faktisch unabhängig, und Südossetien – seit 2008….beide hängen am Geld-Tropf aus Moskau. Transnistrien,  seit 1990 von Moldau getrennt, ist im Zusammenhang mit dem kommenden Moldau- EU- Abkommen aktuell. Der Kreml droht bereits mit „Konsequenzen“, was immer das zu bedeuten hat.

Auch die Kirchen und Oligarchen – ukrainische gegen russländische sowie untereinander – und vor allem die Energie-Unternehmen wie Gazprom – kämpfen gegeneinander.

Weniger bekannt ist dass: Einige Söldner im Osten der Ukraine stammen aus Moskau sowie aus Tschetschenien und Ossetien. Hinzu kommen die Spezialeinheiten SSO für illegale Einsätze im Ausland. In einem Demo-Film auf Youtube sagen sie: „ Wir werden für illegale Einsätze überall auf der Welt, wo die russ. politischen, militärischen und ökonomischen Interessen tangiert werden, eingesetzt. …“ Sie operieren maskiert, ohne Erkennungszeichen und sind auch für Sabotagen zu haben. Alle diese Spezialeinheiten meinen wohl, sie gewinnen durch Gewalt an Einfluss, koste es, was es wolle. Dabei singen die Studenten auf der Krim mutig die ukrainische Nationalhymne.

Und trotz allem meine Prognose: Es wird sich langsam beruhigen; die annektierte Krim sowie die dortigen Gasfelder, ebenso die russ. Gaslieferungen an und durch die Ukraine, bleiben zunächst ein Problem. Ebenso lässt der wirtschaftliche Aufschwung – die russ. Wirtschaft befindet sich seit 2012 in einer Rezession – auf sich warten. Die ukrainische Wirtschaft ist zwar durch die Konflikte geschwächt, läuft jedoch trotzdem recht gut. Sie kann wohl vermehrt auf Aufträge westlicher Unternehmen hoffen, welche sich jetzt aus Russland zurückziehen.

Ob die Krim zu Moskau oder Kiew gehört, macht wohl für die dort auf der Krim lebenden Menschen theoretisch keinen grossen Unterschied. Man hat erwartete höhere Renten und Löhne unter dem Diktat der Kreml-Führung. Doch die Versorgung ist bereits erschwert. Die dort tätigen Unternehmer sind verunsichert, potenzielle Touristen bleiben weg. Demzufolge entfallen der einheimischen Bevölkerung wichtige Einnahmen. Zurzeit kann man gemäss der uns bekannten Unternehmerin Julia, die dort bis vor dem Anschluss eine Filiale geführt hat, niemandem Ferien auf der Krim empfehlen. Einige Waren werden an dem schmalen Grenzeingang von der Ukraine her bei der „Zollkontrolle“ konfisziert.

Einzig die Bauwirtschaft kann auf Aufträge aus dem Kreml hoffen: Bau von Zoll- und Sicherheits-Einrichtungen –  ökonomisch betrachtet ein Leerlauf bzw. eine Verschwendung der Ressourcen. Der Kreml verlangt von Kiew einen hohen Gaspreis (bis zu 485 $ pro m3), dabei hatte er dem reichen China einen Preis von 350$ zugestanden. Die Zeche soll doch die EU bezahlen. Wozu sitzt Ex-Bundeskanzler Schröder bei der Gazprom im Vorstand, welche Rolle spielt er da?

Wir können uns fragen: Was soll das alles? Wem gereicht der Ukraine-Konflikt zum Vorteil? Es handelt sich hier um einen multidimensionalen Interessenkonflikt. Dieser lässt sich nicht auf die Schiene „Ost-West“ festlegen.

Georg J. Dobrovolny, Dr. oec.,  Bern, Juni 2014