Ukraine: Die erste Finanzierungshürde genommen

Ukraine: Die erste Finanzierungshürde genommen                     31.03.2014

Dr. Stanislava Brunner, Vorstandsmitglied Forum Ost-West                                      

Gerade rechtzeitig ist ein Abkommen des IWF (Internationaler Währungsfonds) mit Ukraine zustande gekommen, um die Liquiditätsprobleme des Landes zu lösen. Die Währungsreserven waren auf 13.6 Mrd. $ Ende Februar gesunken – auf ein Äquivalent von weniger als 2 Monate der Importkosten.  Der Staat hat bis Jahresende 9 Mrd. $ an Fremdwährungsschulden zu tilgen. Kapitalflucht,  die quasi eingefrorene  Investitions-und Geschäftstätigkeit und der starke Verfall der Währung verschärfen weiterhin die Lage.

Nun, der Beistandskredit des IWF (noch vom Direktorium zu bewilligen) sollte zwischen 14-18 Mrd. $  betragen und den Weg freigeben für den Geldzufluss  von weiteren Institutionen und Ländern –  neben Europa von den USA und Japan.  Die Gesamthilfe von 27 Mrd. $ ist mit harten Auflagen verbunden: Die verlangte Reduktion der Subventionen für private Erdgasverbraucher mündet in einer 50% Steigerung der Tarife, neue Steuern werden erhoben und der staatliche Verwaltungsapparat soll um 10 % verringert werden.

Man fragt sich, warum diese harten Auflagen – in einer so heiklen politischen Situation -, um das Budgetdefizit von 4.5% des BIP bis 2016 auf 2.5% de BIP zu senken (Maastricht Kriterium verlangt eine Obergrenze von  -3 % des BIP). Doch ohne drastische Maßnahmen würde der jetzige Trend einen Staatsbankrott bedeuten. Da sich die Wirtschaft in einer Rezession befindet, würden die Steuereinnahmen ohne Anhebung gewisser Steuern weiter sinken. Desto mehr muss auf der Ausgabenseite gekürzt werden. Die Zentralbank muss den Wechselkurs der Hryvna freigeben, nicht mehr weiter stützen. Die Härten für die Bevölkerung sollen durch gezielte Sozialmassnahmen gelindert werden.

Andere Finanzierungserleichterungen?

In Brüssel billigte der EU-Gipfel  die Vorschläge der EU-Kommission, die Zölle auf die Einfuhr ukrainischer Waren drastisch zu reduzieren.

Verschiedene Berater, z.B. Anders  Aslund vom Peterson Institut for International Economy argumentieren, Ukraine sollte die Bedienung der Schulden an Russland  – an einen Aggressor –aussetzten. Es handelt sich u.a. um Verbindlichkeiten an Gazprom von 2 Mrd. $ und die erste Tranche des  Finanzhilfeprogramm an Janukowitsch von 3 Mrd.  Ukraine verlor ja durch die Annexion der Krim militärische Einrichtungen und die Ausrüstung zur Erdgasförderung im Schwarzen Meer.

Auch fragt man sich, ob China bereit wäre, finanziell einzuspringen? Nun, politisch ist es für China heikel, sich in das Krim- Konflikt einzumischen, wegen Tibet und anderer Grenzgebiete.  Offiziell herrscht in China die prorussische Meinung vor  (also keine Unterstützung der Ukraine) – wegen wirtschaftlicher Interessen. Wie aus einem  NZZ Artikel hervorgeht, war Ukraine bisher ein wichtiger Waffenlieferant für China, was wegen der EU- Annäherung als Folge des westlichen Waffenembargos nicht mehr möglich sein wird. China braucht dringend Energie aus Russland. Und, strategisch gesehen, wird China als Gas- und Ölabnehmer für Russland ein wichtiges Pendant zu Europa.

Fazit: Das akute Finanzierungsproblem ist im Moment gelöst. Doch angesichts der kommenden Wahlen im Mai bleiben Fragen offen: Wird einen neue Regierung das Reformprogramm durchziehen? Und wenn nicht, wie reagieren die Geldgeber?

EU: Wie weiter?

„Die Ohnmacht der EU gegenüber Ukraine und Russland ist nicht überraschend. Vom Anfang war es klar, dass die sogenannten Eastern Partnership ohne tragfähigen Inhalt war. Die Zukunft: entweder eine neue Politik, jedoch länderbezogen ohne Belarus, Aserbaidschan, wahrscheinlich auch Armenien, mit Konzentration auf Moldowa (EU- Beitrittsversprechen), gemeinsame atlantische Strategie (EU+USA) für Georgien, und dann was mit der Ukraine? Sie selbst soll sich entscheiden…! „ András, Budapest

Kein russischer Maidan?

 Kein russischer Maidan ?

Die Annexion der Krim macht Präsident Putin in der russischen Bevölkerung noch populärer. In Kiew fragt man sich: Wo bleibt in Russland der demokratische Geist, der 1991 die Sowjetunion zu Fall brachte ?

Von Roman Berger, 30.März 2014

Verzweifelt und bitter tönen die Fragen eines ukrainischen Bloggers: „ Russische Leute, habt Ihr schon vergessen, dass Ihr vor noch nicht allzu langer Zeit auch für Demokratie und gegen Diktatur gekämpft habt ?“. Die Parallelen zwischen den Massendemonstrationen in Moskau 1990/91 und dem Euro – Maidan in Kiew von heute seien doch offensichtlich. Damals und heute träumten Menschen von einer demokratischen Gesellschaft und Freiheit.  „Warum glaubt ihr“, so fragt der Blogger frustriert, „dass in Kiew nur Faschisten und Extremisten auf die Strasse gingen ?“… „ Vergesst nicht, liebe Russen, ihr hattet auch Euren Maidan!“ (www.mykola.in.ua)

Abschreckende Gewalt in Kiew

Der ukrainische Blogger belegt seinen Aufruf mit eindrücklichen Fotos:  Massendemonstrationen auf dem Manege-Platz in Moskau 1991 und heute auf dem Maidan in Kiew.  Nur die Gebäudekulissen sind anders. Es gibt aber auch wichtige Unterschiede. Nach wochenlangen friedlichen Demonstrationen kam es in Kiew zu brutalen Gewaltausbrüchen mit über hundert Todesopfern und zahlreichen Verletzten. Die Hintergründe und Verantwortlichen dieser Gewaltexplosion  sind bis heute nicht bekannt. Genau diese Szenen der Gewaltexzesse in Kiew wurden vom staatlich kontrollierten russischen Fernsehen ständig wiederholt, was in der russischen Bevölkerung eine abschreckende Wirkung  auslösen sollte.

Friedliche Proteste in Moskau

Im Unterschied zum Maidan in Kiew flogen 1991 in Moskau keine Brandflaschen und es schossen keine Scharfschützen. Präsident Gorbatschow hatte mit seinen grosszügigen Konzessionen an den Westen für ein friedliches Ende des Kalten Krieges gesorgt. Und im August 1991 brach ein Putschversuch von Altkommunisten gewaltlos in sich zusammen. Dank eines mutigen Auftritts von Boris Jelzin und der Befehlsverweigerung einer Luftlandedivision. Nach dem Zerfall der Sowjetunion entstanden 15 neue Staaten. Die Begeisterung war gross – aber nur von kurzer Dauer.

Der gleiche Jelzin liess im Oktober 1993 das Parlament stürmen, wo sich die Opposition gegen Jelzins radikale Privatisierung verschanzt hatte. Der Gewaltakt, der über tausend Tote forderte, brachte Jelzin in die Abhängigkeit der Generäle, was ihn ein Jahr später zu einem Einmarsch in das abtrünnige Tschetschenien bewegte. Der erneute Versuch, einen politischen Konflikt mit Gewalt zu lösen, endete 1996 mit einer demütigenden Niederlage der russischen Armee und Zehntausenden von Opfern vor allem in der Zivilbevölkerung von Tschetschenien. In Russland herrschten Armut, Massenarbeitslosigkeit und Hyperinflation. Viele Russen begannen, der Demokratie westlichen Stils zu misstrauen und träumten wieder von der untergegangenen Sowjetunion.

Putin wurde zum „Retter Russlands“

Jelzins Ruf, der im Westen weiterhin als grosser Reformer gefeiert wurde, war in Russland entscheidend beschädigt. Das Land begann zu zerfallen und geriet unter die Kontrolle von korrupten Regionalfürsten. So war es kein Wunder, dass die Bevölkerung im Jahr 2000 Putin als neuen starken Mann und „Retter Russlands“ begrüsste.

Erst im Winter 2011/12 begann man die Widersprüche in Putins System  zu erkennen. Praktisch über Nacht protestierte in Moskau eine gut informierte, moderne Mittelschicht gegen die „Diebe und Gauner“ im Kreml und forderte ein „Russland ohne Putin“. Auf dem Moskauer Sacharow Boulevard entstand ein russischer Maidan. Im übrigen Russland blieb es aber ruhig. Die schweigende Mehrheit in der Provinz schaute skeptisch auf die verwöhnte neue grossstädtische Mittelschicht, die im Wasserkopf Moskau protestierte. Mit einer Repressionswelle unterdrückte der Kreml die unerwartete Kritik.  Die Protestbewegung blockierte sich aber auch selber.  Ihre Akteure sind heute zerstritten, unter ihnen herrscht tiefes Misstrauen.

Sozialproteste in der Provinz

Die umstrittene Wiedereingliederung der Krim in die russische Föderation hat dem Protest gegen Putin wieder Aufwind gegeben. Eine Antikriegsdemonstration brachte mehrere 10 000 Leute auf die Strasse. Aber wiederum nur in Moskau. Im übrigen Russland kommt es auch zu Demonstrationen. Hier aber protestiert die Bevölkerung gegen die Schliessung von Spitälern, Schulen und steigende Lebenskosten. Die  Sozialproteste sind nicht von Oppositionellen sondern von Einzelpersonen organisiert, zeigen aber, dass Putin das Wohlwollen seiner Klientel (Beamte, Militärisch-industrieller Komplex, Pensionierte) nicht mehr kaufen kann. Russland ist mit einer Wirtschaftskrise konfrontiert, die durch die Kosten des Krim-Anschlusses, mögliche Wirtschaftssanktionen und den Verlust Hunderttausender ukrainischer Billigarbeiter noch schärfer ausfallen könnte.

Nur Schichtwechsel in der Oberschicht

Unerwartete Schützenhilfe erhält Putin aus Kiew. Dort erweist sich die Uebergangsregierung immer mehr als ein Konglomerat aus unerfahrenen Politikern, dubiosen Oligarchen und hemmungslosen Ultranationalisten. Die provisorische Regierung hat die Lage in der Ukraine nicht unter Kontrolle. Diese Schlussfolgerung legt auch eine Studie der von der deutschen Regierung mitfinanzierten „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (Die Ukraine inmitten der Krise) nahe. In Kiew hat keine „Revolution“ stattgefunden sondern nur ein Schichtwechsel innerhalb der gleichen Oberschicht.

Aehnliches ist auch in Russland zu beobachten. Bis vor kurzem stützte sich Putin bei seinen Entscheiden auf ein Gremium, das sich aus liberalen Technokraten und Nationalisten zusammensetzte. Putin moderierte zwischen den Flügeln, neigte mal dem einen, mal dem anderen zu.  Der Beschluss zur Annexion der Krim allerdings wurde gemäss gut informierten russischen Quellen im engsten Kreis von Putins Vertrauten aus den Sicherheitskräften gefällt. Heisst das, dass künftig im Kreml nur noch die Falken das Sagen haben werden ?

Auch Liberale stehen hinter Putin

Solche Fragen stehen zur Zeit nicht im Vordergrund, denn der Kremlchef kann sich  Russland und der Welt als starke Führungsfigur präsentieren. Bis weit ins liberale Lager ist man stolz auf Putin, weil er  der seit dem Ende des Kalten Krieges nach Osten expandierenden Nato  endlich die Stirn geboten hat.  Das Beschwören von Völkerrecht ist für russische Ohren hohles Geschwätz vor allem, wenn  ein amerikanischer Aussenminister Russland davor warnt, in ein anderes Land einzumarschieren.

Stark nach aussen – schwach nach innen

Russland hat in der Ukraine – Krise aus einer Position politischer Stärke agiert. Russlands vermeintliche Stärke ist aber auf Sand gebaut. Das Land muss seine marode Industriestruktur modernisieren und diversifizieren. Der wenig Mehrwert produzierende Export von Oel und Gas führt in eine Sackgasse. Russland braucht einen neuen Wachstumspfad, den das Land nur mit westlichen Investoren und Knowhow beschreiten kann. Das Investitionsklima war schon bisher wegen Korruption, Bürokratie und Protektionismus nicht das Beste. Mit der Unsicherheit der Ukraine-Krise hat es sich noch mehr verschlechtert .

Putin wird wieder an Popularität verlieren, wenn die Bevölkerung den Widerspruch zwischen politischer Stärkedemonstration nach aussen und innerer Schwäche im Alltag zu spüren bekommt. Das schlimmste Szenario für den Kreml könnte dann eintreten, wenn nach den politisch motivierten Massenprotesten im Zentrum auch soziale und wirtschaftlich bedingte Brandherde im übrigen Russland aufflackern würden. Das wäre eine explosive Mischung. Pessimistische Beobachter glauben,  nur so werde sich in Russland wieder etwas bewegen. Zu hoffen wäre dann, dass dieser Wandel trotz allem auf friedlichem Weg erfolgen wird.

Wahlen, Dialog und Gerede

  1. Vom künftigen Präsidenten der Ukraine hängt einiges ab: Für die Wahlen im Mai d.J. will ausser Julia Timoschenko, die als Kandidatin am 29.3.von der Partei „Vaterland“ nominiert wurde, auch der „Schoko-König“ Petro Poroschenko auftreten. Der im Westen populäre Boxer Vitali Klitschko verzichtet. Für eine Überraschung könnte Michail Dobkin, ex-      Gouverneur von Charkiw, sorgen.
  2. Der Dialog ist möglich. Das lange Telefongespräch zwischen den Präsidenten der USA      und jenem der RF sowie das heute in Paris stattfindende Gespräch John Kerry mit Sergej Lawrow geben Anlass zur Hoffnung, dass der Konflikt nicht eskaliert –solange man redet….Die Lage ist jedoch explosiv besonders an der Ostgrenze der Ukraine.
  3. Das Gerede über die sog. Sanktionen ist kontraproduktiv, verunsichert auch potenzielle Investoren. Es ist leicht, wenn die russische Seite dann die selbst verschuldeten wirtschaftlichen Probleme dem Westen in die Schuhe schiebt.

Georg, Bern

Umgang mit Regierungskritikern!

Moskaus Regierungskritiker werden wegen der Krim-Krise pauschal als „Vaterlandsverräter“ desavouiert… Andrej Zubov – namhafter Historiker am MGIMO, wo u.a. auch der russ. Aussenminister Sergej Lawrov studiert hat, verlor als erstes prominentes Opfer der Hexenjagd seinen Job wegen seiner Kritik an der Okkupation der Krim. Sein Presseportal: news.yandex.ru wird derzeit gestört…Er will seine Beschwerde bis zum obersten Gericht ziehen…. Wegen seines Artikels vom 1. 3. 2014 wurde Zubov ermahnt. Ca. hundert russische Wissenschaftler protestierten in einem offenen Brief gegen dieses Vorgehen.….

Sie finden den russischen Originaltext sowie die tschechische Uebersetzung bei www.forumostwest.ch

 

Reaktion der Finanzmärkte

Die neue Unsicherheit in der „Ost-West-Lage“ hat jetzt auch die Finanzmärkte in Bezug auf das Verhalten Moskaus ergriffen. Die Folge: Die russischen Staatsanleihen mussten zurückgezogen werden. Ihre Finanzierbarkeit steht in Frage. Verursacht hat dies der einseitige Bruch der bestehenden Zusicherungen Moskaus der Ukraine gegenüber. Es gibt immer noch das Budapester Abkommen von 1994 verbunden mit einem Verzicht der Ukraine auf nukleare Waffen sowie das Abkommen von 2010 betreffend Krim-Sewastopol, das bis 2042 Moskau die Nutzung der dortigen Anlagen für U-Boote zusichert. Wie lässt sich dies mit der Okkupation der Krim vereinbaren?  Georg, Bern

Völkerrecht schon tot?

Nach der Annexion der Krim müssen wir uns fragen, ob Völkerrecht schon tot ist und was das bedeutet ?

Nicht das Völkerrecht, sondern Recht der Stärke bestimmt die heutige Situation in der Krim. Die Russen haben die Fakten geschaffen- und wo blieb die normative Kraft des Völkerrechts? Eine fast rhetorische Frage.  Als Jurist bin ich sehr frustriert. Die OSZE- Beobachter dürfen die Krim nicht betreten. Heißt das nicht, dass die Welt die Krimannexion schon toleriert hat? Die normative Kraft des Völkerrechts hat sich gegenüber der Kraft der Fakten kapituliert. Vielleicht ist es auch übertrieben und so apokaliptisch ist die Situation mit Völkerrecht nicht.

Es sieht alles so aus, dass nicht die Werte (darunter auch Rechtswerte) bestimmen die internationale Politik, sondern die Interessen. Das betrifft nicht nur die russische Politik, sondern auch das Verhalten des Westens. Im kalten Krieg dominierten die scharf konkurierende Ideologien. Jetzt, in die Postmoderne sind die Ideologien tot: die Interessen sind vorgerückt. Sonst kann keiner erklären z.B., warum die Frau Timoschenko als Heldin und Hoffnungsträgerin gefeiert wird. Mit Sicherheit verkörpert sie kaum die westliche und europäische Werte. Und die Oligarchen sind nach der Machtwechsel in die Ukraine noch mächtiger geworden. Bedeutet das, dass in die Ukraine nur zum politische Stilwechsel gekommen ist und grundlegende Änderungen in ukrainische Politik kaum zu erwarten ist? Hier kann und muss doch Europa eine klare Zeichen setzen. Mit dem Putinischen Russland ist die Situation klar. Mindestens sind hier die Illusionen weg, dass Russland ein verlässlicher Partner ist. Mit wirtschaftlichen Sanktionen müssen wir aber leider keine große Hoffnungen verknüpfen. Putin hat vielleicht kalkulliert, nach westliche Sanktionen eine Art von Kriegswirtschaft in Russland zu etablieren. Die westliche Sanktionen werden auch bei Russen mobilisierende Wirkung haben, erhoben bis zum patriotischen Pflicht alle negative Wirkungen der Sanktionen tapfer zu dulden. Die Russen sind geduldig- geduldiger als die Bürger in die Westen. Die überwiegende Zahl von Russen sind zum Wohlstand (noch) nicht gewöhnt- im Unterschied westlicher Bürger. Georgien ist sehr solidarisch zur Ukraine. Gleichzeitig sind wir verunsichert. Putin hat vielleicht eigene Pläne auch mit Georgien. Wie und wann er diese Pläne umsetzen ist nur ein Rätsel. Armenien will Mitglied von putinische Euroasiatische Union werden. Ohne gemeinsame Grenzen mit Russland ist diese Union schwer zu realisieren. Und hier kommt Georgien besondere Rolle zu. Bis Juni will Georgien Assozierungsabkommen mit der EU unterzeichnen. D.h., dass noch bis Sommer böse Überraschungen von Russland zu erwarten ist. Georgi, Tiflis

 

Die Angst geht um…

Nach der Unabhängigkeitserklärung der Krim liess der CH-Bundesrat Didier Burkhalter in seiner Funktion als OSZE-Vorsitzender verlauten, dass das Referendum auf der Krim in seiner jetzigen Form verfassungswidrig ist. Zeitgleich erklärte das russländische Aussenministerium das Vorgehen des Krim-Parlaments für „absolut rechtmässig“. Das Auftreten der Moskauer Falken schürt derweil nicht nur in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken die Angst vor einer schleichenden Expansion der russländischen Föderation bzw. der Putin-Clique ……Georg, Bern

Wie kann die Ukraine wirtschaftlich überleben?

Wie kann die Ukraine wirtschaftlich überleben?

Eine Analyse von Dr. rer. pol. Stanislava Brunner, Vorstandsmitglied des Forums Ost-West

Wenn wir von dem Szenario ausgehen, dass Putins Armee das Territorium der Ukraine nicht bedroht, und die jetzige Regierung in Kiew für genügend Stabilität sorgen kann, werden wirtschaftliche Fragen in den Vordergrund rücken.

Akut ist der finanzielle Notstand, weil Ukraine laut UBS bis Ende 2015 etwa 15.6 Mrd. $ an Fremdkrediten zurückzahlen muss. Und 15 Mrd. $ beträgt die Summe, welche Russland noch in Dezember 2013 Ukraine als Kredit zugesagt, nachher jedoch eingefroren  hatte.  Wenn auch der in Dezember gewährte Preisnachlass für russisches Erdgas ausbleibt, und die Landeswährung Hrywna weiter fällt, steuert Ukraine auf die Zahlungsunfähigkeit zu.  Die Reserven der Nationalbank sind als Folge der Stützkäufe ca. auf 16 Mrd. $ bzw. 8% des (Bruttoinlandsprodukt)  BIP gesunken.

Die EU-Kommission will Ukraine mit mindestens 11 Mrd. Euro beistehen – mit Mitteln aus dem Gemeinschaftshaushalt und der EU- Finanzorganisationen. Die Europäische Bank für Wiederaufbau (EBRD) ist bereit, Ukraine mit Investitionen von mindestens 5 Mrd. Euro über die Periode bis 2020 zu unterstützen. Die Voraussetzung ist, dass Reformen in Angriff genommen werden, wofür ein Abkommen der Ukraine mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sorgen sollte. Ein IWF-Team verschafft sich gegenwärtig vor Ort Klarheit über die Staatsfinanzen. Die Weltbank hat zur Stabilisierung des Landes 3 Mrd. $ an Hilfsgeldern in Aussicht gestellt.

Die weitverbreitete Korruption und Behördenwillkür lähmen die Wirtschaft, bremsen Strukturreformen und verhindern  Auslandinvestitionen. Deswegen liegen  laut EBRD die Schlüsselprioritäten der Reformen im institutionellem Umfeld und den Massnahmen gegen die endemische Korruption.

Aktuelle Wirtschaftsfakten: BIP liegt bei 130 Mrd. Euro (Deutschland 2700Mrd.), das pro Kopf Einkommen  beträgt etwa 2840 Euro und die Wirtschaft befindet sich seit Ende 2012 in der Rezession. Die Landwirtschaft ist mit den Weizenexporten ein wichtiger Sektor, neben der Schwerindustrie (Stahlproduktion, Lokomotiv – und Maschinenbau) –  mit allerdings sehr veralteten Anlagen. Ebenfalls exportrelevant sind Rohstoffe wie Eisenerz, Mangan und  Kohle. Energiemässig ist Ukraine vor allem von Gasimporten abhängig, wovon 58% aus Russland kommen.

Aussichten:  Da sich der angestrebte Freihandel mit der EU und die Vorzugsbehandlung durch Russland ausschliessen, werden die EU und die Ukraine mit zusätzlichen Kosten konfrontiert. Die Abschaffung der Zollschranken zwischen Ukraine und der EU  (vorläufig von der EU einseitig reduziert)  wird nicht ein so grosser Gewinn sein, da damit für Ukraine auch Importzolleinnahmen wegfallen. Die notwendigen Reformen werden schmerzhaft sein – sowohl die Sparmassnahmen als auch die Anpassung der subventionierten Gaspreise. Auch die Staatshilfen für die Unternehmen bleiben aus, bei gleichzeitiger Aussetzung der ukrainischen Wirtschaft dem freien Wettbewerb. Kurzfristig wird sich die Rezession vertiefen.

Das heisst, dass sich die Vorteile der Öffnung der Ukraine gegenüber dem Westen erst mittel- bis langfristig einstellen. Mit der Übernahme europäischer Normen wird sich das Investitionsklima verbessern und mit wachsenden Auslandsinvestitionen wird die Modernisierung vorwärtsgetrieben. Doch kurzfristig stellt sich die Frage, ob die schmerzhafte Umstellung der Wirtschaft politisch verkraftbar ist.

Zürich, den 20.03.2014