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Russlands Wirtschaftslage: Update August 2015

Russlands Wirtschaftslage: Update August 2015

Kollaps ausgeblieben, doch der Trend wieder kritisch.

Dr. Stanislava Brunner, Vorstandsmitglied FOW, ex CS chef country risk analyses, Zürich, 18.8.2015

Zwar hat sich die Wi-Lage im Mai 2015 etwas stabilisiert nach dem Einbruch der russ. Währung vom Dezember/Januar 2014. Doch war die Erholung von kurzer Dauer.

Ein erneuter Preisrutsch für ein Fass Öl Marke Brent von 70$ anfangs Mai auf 54 bis 40 $ im August hat den Rubel zusätzlich unter Druck gesetzt und die Devisenreserven weiter schrumpfen lassen.

Auch weil Russland den Anteil von Euro in den Devisenreserven erhöht hatte, wirkte sich dies wegen der Euroschwäche negativ auf die Höhe der Reserven aus. Die massiven Goldankäufe verfehlten wegen des sinkenden Goldpreises ebenfalls die Wirkung: der Unzen Preis fiel unter 1100 $ auf das Niveau wie in 2010 und somit ist der russische Goldschatz mit 45 Mrd. $ heute so viel Wert wie im Herbst 2011 – trotz einer Aufstockung von 439 Tonnen.

Die Notenbank hat seit Mai Rubel verkauft und Dollar gekauft um die Devisenreserven aufzufüllen, verstärkte hiermit jedoch der Druck auf den Rubel. Der Kurs sank auf aktuell 64 Rbl/$. Seit der Krimkrise sind die Reserven von 500 auf 358 Mrd. $ gefallen und seit Mai nicht mehr gestiegen. Ob Massnahmen wie eine Zinsanhebung den Trend umkehren können, ist fraglich und dem Wirtschaftswachstum abträglich. Im 2015 rechnet man mit einer Schrumpfung des BIP von 3.5%, doch die Zahlen für das zweite Quartal – ein Minus von 4.6% gegenüber dem Vorjahr – deuten einen stärkeren Rückgang an.

Die fehlenden Investitionen in die Modernisierung der Wirtschaft versprechen keine schnelle Erholung. Zwar sollte durch die Handelsbeschränkungen zusammen mit der Rubelabwertung die inländische Produktion etwas angekurbelt werden, doch der beschränkte Zugang russischer Firmen zum internationalen Kapitalmarkt und zu westlicher Technologie wirken mittelfristig schwerer. Der Spielraum für Zinssenkungen (seit der Anhebung des Leitzinssatzes auf 17 % im Dezember folgten Senkungen bis auf 11% Ende Juli) ist auch wegen der immer noch hohen Inflation von 16.5% beschränkt. Vom Konsum sind wegen der fallenden Reallöhne kaum Impulse zu erwarten.

Russland ist immer mehr von Rohstoffexporten abhängig, doch der Preistrend dieser Rohstoffe ist ungünstig. Die Ölpreisnotierungen dürften für längere Zeit niedrig bleiben, erst im Herbst 2016 werden wieder Preise von mehr als 60$ pro Fass erwartet. Das zusätzliche Angebot aus dem Iran sowie eine schwächere Nachfrage Chinas begünstigen die Preisstagnation. Auch die Deviseneinnahmen aus anderen Rohstoffverkäufen – Metalle, Erze -dürften eher abnehmen.

Weil die Exporterlöse rapide sinken (-25 bis -30% im ersten Halbjahr 2015), die Importe jedoch schneller abnehmen (- 38%), bleibt die Handels- und die Ertragsbilanz positiv.

Der Anteil des Ertragsbilanzsaldos am Bruttoinlandprodukt steigt sogar wegen des sinkenden BIP. Angesichts dieser Entwicklungen ist das Niveau der Währungsreserven adäquat (Deckung der Importe von 11%). Auch dürfte der Auslandschuldendienst im Laufe des Jahres abnehmen. Somit ist russische Zahlungsfähigkeit nicht gefährdet. Wohl aber der Lebensstandard breiter Bevölkerungsschichten.

Problematisch bleiben die Zukunftsaussichten: für 2016 ist ein BIP Wachstum laut dem Internationalen Währungsfonds von maximal 1.5% zu erwarten. Strukturelle Reformen sind unausweichlich, doch scheinen sie gegenwärtig nicht die Priorität zu haben. Die fiskalische Konsolidierung verlangt eine Reform des Rentensystems, eine Reduktion der Energie-Subventionen und der Steuererleichterungen. Statt jedoch das Land wirtschaftlich zu stärken und die Wirtschaft zu modernisieren stellt der russische Präsident seine persönlichen sowie die sog. geopolitischen Ambitionen über die Reformagenda.

 

Russlands Wirtschaftslage: Kollaps ausgeblieben/ update

Russlands Wirtschaftslage: Kollaps ausgeblieben

Dr. Stanislava Brunner, Vorstandsmitglied FOW                                                          Zürich, 6.5.2015

Bis Januar 2015 hat die russische Währung eine steile Talfahrt erlebt – insgesamt resultierte 2014 ein Verlust gegenüber dem US$ von 46%. Die Notenbank sah sich zu massiven Zinserhöhungen  (Leitzins auf 17%) und Devisenverkäufen gezwungen.

Im Februar 2015 setzte unerwartet früh eine Erholung ein: von 67 Rbl per US$ auf 51 Rbl/US$, obwohl die Voraussetzungen wegen der anhaltenden Sanktionen und der  drohenden Rezession nach wie vor ungünstig waren

Die Erstarkung der Währung war zum einen Teil saisonal begründet , da Unternehmen wegen Steuerzahlungen in grossen Mengen Dollar in Rubel tauschten; zum anderen haben sich die Rohölpreise, nach einem Einbruch im vorangegangenem Halbjahr um 50%, seit Jahresbeginn stabilisiert und zuletzt leicht zugelegt auf über 60$ pro Barrel. Und die Lage in Ukraine hat sich nicht weiter verschlechtert. Nach dem Ende der Panik setzte auch eine Spekulation zugunsten des Rubels ein.

Doch nicht alle sind erfreut: ein stärkerer Rubel schwächt die Wettbewerbsposition russischer Exporteure. Vor allem die Staatseinnahmen, welche zum grossem Teil aus Erdölverkaufen in US $ gespeist werden, würden nicht mehr so leicht fliessen. Der Rubelpreis pro Fass liegt um 14 % tiefer als im Vorjahr. Wegen des Erreichens der Kapazitätsgrenze mit 10.7 Mio. Fass pro Tag lässt sich der voraussichtliche Fehlbetrag  im Staatsbudget  2015 von 3.7% des BIP durch eine erhöhte Ölproduktion nicht ausgleichen.

Analysten sind der Meinung, dass der  Rubel, gemessen an den Fundamentaldaten, immer noch überbewertet ist.

In 2015  droht eine  Rezession: nach einer Schrumpfung des BIP um 2% im 1. Quartal gegenüber dem Vorjahr wird im 2. Quartal ein Minus bis zu 4% erwartet. Angesichts dieser Lage und der leicht abgeschwächten Inflation (16.5% im April gegenüber 16.9% im Vormonat) hat die russische Notenbank am 29.4. den Leitzins  deutlich auf 12.5% gesenkt, nach der letzten Reduktion auf 14% im März. Durch günstigere Kredite sollen  die Investitionstätigkeit und der Konsum angekurbelt werden.

Reichen diese kleinen Zeichen, um das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen?

Die Investitionen sind im 1.Quartal 2015 um 6% eingebrochen. Die Kapitalflucht dauert an. Die ausländischen Direktinvestitionen sind in den 3 Quartalen 2014 gegenüber der Vorjahresperiode  von 61.3 Mrd. $ auf 23,6 Mrd. $ zurückgegangen. Die Währungsreserven nehmen kontinuierlich ab, auf 353.5 Mrd. $ Ende April 2015.

Jedoch scheint die russische Wirtschaft robuster als befürchtet. Die Industrieproduktion – vor allem die Rüstungsindustrie –  hat leicht  zugelegt. Der Maschinenbau, welcher für die Öl- und Gasindustrie produziert, wird von der Regierung Hilfsgelder in Milliardenhöhe erhalten. Auch die Lebensmittelindustrie wurde dank der Substitution ausbleibender Importe angekurbelt.

Allerdings werden die Militärausgaben auf Kosten von Gesundheitswesen und Bildung erhöht. Also, kaum Investitionen in eine bessere Zukunft, wenn man den Schwund der Erwerbsbevölkerung und den Fachkräftemangel berücksichtigt. Die  Arbeitsbevölkerung ist überaltert, das Durchschnittslebensalter niedrig.

Russland konzentriert sich auf die Suche nach neuen Handelspartnern – neben China und Indien wurde der Aufbau von Handelsbeziehungen mit Iran eingeleitet.

Wie sind die weiteren Aussichten?

Die starke Korrelation des Rubel-Wechselkurses mit dem Ölpreis dürfte – zumindest kurzfristig – die Rubelerholung unterstützen. Da einerseits in der Folge des starken Ölpreiseinbruchs  viele amerikanischen Schiefergasförderer schliessen mussten und das Überangebot abgebaut wurde, und andererseits  grosse Terminmarktspekulanten auf eine Erholung setzten,  ist der Trend beim Ölpreis gegenwärtig positiv. Die mittelfristige Ölpreisentwicklung bleibt jedoch volatil.

So scheint das Katastrophenszenario für Russland abgewendet, doch die alten Probleme bleiben.

Die EU- Sanktionen dürften wegen der ungeklärten Lage in der Ukraine verlängert werden. Als Folge der weiter sinkenden Reallöhne sind vom Konsum kaum Wachstumsimpulse zu erwarten. Es bleibt abzuwarten, ob die Zinssenkungen die private Investitionstätigkeit ankurbeln. Der Staat jedenfalls, konfrontiert mit einem Budgetdefizit von 3.7% in diesem Jahr, hat kaum Spielraum für zusätzliche Investitionsausgaben. Das Defizit wird wohl aus dem Reservefonds finanziert, dessen Mittel auf  Ende  Jahr aufgebraucht würden.

So dürfte das BIP Wachstum – nach einem kleinen Einbruch von 0.6% in 2014 – im aktuellen Jahr weiter mit ca. 3-4% rückläufig und 2016 wahrscheinlich noch schwach negativ bleiben. Positiv ist, dass die Krise auch eine Chance wurde, durch die erzwungene Importsubstitution die eigene Industrieproduktion (Leichtindustrie, bestimmte Maschinenbausparten) anzukurbeln und somit den lange fälligen Schritt zur Reduktion der Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten einzuleiten.

 

Ukraine: Die erste Finanzierungshürde genommen

Ukraine: Die erste Finanzierungshürde genommen                     31.03.2014

Dr. Stanislava Brunner, Vorstandsmitglied Forum Ost-West                                      

Gerade rechtzeitig ist ein Abkommen des IWF (Internationaler Währungsfonds) mit Ukraine zustande gekommen, um die Liquiditätsprobleme des Landes zu lösen. Die Währungsreserven waren auf 13.6 Mrd. $ Ende Februar gesunken – auf ein Äquivalent von weniger als 2 Monate der Importkosten.  Der Staat hat bis Jahresende 9 Mrd. $ an Fremdwährungsschulden zu tilgen. Kapitalflucht,  die quasi eingefrorene  Investitions-und Geschäftstätigkeit und der starke Verfall der Währung verschärfen weiterhin die Lage.

Nun, der Beistandskredit des IWF (noch vom Direktorium zu bewilligen) sollte zwischen 14-18 Mrd. $  betragen und den Weg freigeben für den Geldzufluss  von weiteren Institutionen und Ländern –  neben Europa von den USA und Japan.  Die Gesamthilfe von 27 Mrd. $ ist mit harten Auflagen verbunden: Die verlangte Reduktion der Subventionen für private Erdgasverbraucher mündet in einer 50% Steigerung der Tarife, neue Steuern werden erhoben und der staatliche Verwaltungsapparat soll um 10 % verringert werden.

Man fragt sich, warum diese harten Auflagen – in einer so heiklen politischen Situation -, um das Budgetdefizit von 4.5% des BIP bis 2016 auf 2.5% de BIP zu senken (Maastricht Kriterium verlangt eine Obergrenze von  -3 % des BIP). Doch ohne drastische Maßnahmen würde der jetzige Trend einen Staatsbankrott bedeuten. Da sich die Wirtschaft in einer Rezession befindet, würden die Steuereinnahmen ohne Anhebung gewisser Steuern weiter sinken. Desto mehr muss auf der Ausgabenseite gekürzt werden. Die Zentralbank muss den Wechselkurs der Hryvna freigeben, nicht mehr weiter stützen. Die Härten für die Bevölkerung sollen durch gezielte Sozialmassnahmen gelindert werden.

Andere Finanzierungserleichterungen?

In Brüssel billigte der EU-Gipfel  die Vorschläge der EU-Kommission, die Zölle auf die Einfuhr ukrainischer Waren drastisch zu reduzieren.

Verschiedene Berater, z.B. Anders  Aslund vom Peterson Institut for International Economy argumentieren, Ukraine sollte die Bedienung der Schulden an Russland  – an einen Aggressor –aussetzten. Es handelt sich u.a. um Verbindlichkeiten an Gazprom von 2 Mrd. $ und die erste Tranche des  Finanzhilfeprogramm an Janukowitsch von 3 Mrd.  Ukraine verlor ja durch die Annexion der Krim militärische Einrichtungen und die Ausrüstung zur Erdgasförderung im Schwarzen Meer.

Auch fragt man sich, ob China bereit wäre, finanziell einzuspringen? Nun, politisch ist es für China heikel, sich in das Krim- Konflikt einzumischen, wegen Tibet und anderer Grenzgebiete.  Offiziell herrscht in China die prorussische Meinung vor  (also keine Unterstützung der Ukraine) – wegen wirtschaftlicher Interessen. Wie aus einem  NZZ Artikel hervorgeht, war Ukraine bisher ein wichtiger Waffenlieferant für China, was wegen der EU- Annäherung als Folge des westlichen Waffenembargos nicht mehr möglich sein wird. China braucht dringend Energie aus Russland. Und, strategisch gesehen, wird China als Gas- und Ölabnehmer für Russland ein wichtiges Pendant zu Europa.

Fazit: Das akute Finanzierungsproblem ist im Moment gelöst. Doch angesichts der kommenden Wahlen im Mai bleiben Fragen offen: Wird einen neue Regierung das Reformprogramm durchziehen? Und wenn nicht, wie reagieren die Geldgeber?