Schlagwort-Archive: Wirtschaftliche Analyse

Die Krise in Russland: Wirtschaft Up-date

Die Krise der Russischen Föderation

Dr. Stanislava Brunner, Vorstandsmitglied FOW                                        Zürich 25.1.2015

Die aktuelle kritische Wirtschaftslage in Russland ist nicht primär Folge von Aussenfaktoren wie den EU- und US- Sanktionen sowie dem Ölpreiszerfall. Diese haben nur die Defizite freigelegt:  die strukturellen Schwächen als Folge von anhaltender Fokussierung auf Energieexporte und einer sehr kurzfristigen Orientierung der quasi Staatsfirmen auf schnelle Gewinne. Langfristige Investitionen in die Modernisierung und  Diversifizierung der Wirtschaft sind nach wie vor ungenügend.

Aktuelle Lage:

Schon vor  dem Ölpreiszerfall schwächelte die russische Wirtschaft, mit einem BIP Wachstum in 2013 von nur 1.8 %. Für 2014 wird ein Einbruch zwischen 3% und 5% erwartet. Im Dezember 2014 verschärfte sich die Situation drastisch. Der Rubel verlor in kurzer Zeit rasant an Wert, parallel zu dem ins bodenlose sinkenden Ölpreis.

Im Jahresverlauf 2014 hat die russische Währung 46% gegenüber US$ eingebüsst und der Ölpreis Marke Brent – im Juni noch bei 107.7 $/Fass – sank um 48%. Am Jahresanfang 2015 setzte sich die Schwächephase des Rubels fort und der Ölpreis sank unter 50$/Fass, auf ein 6-Jahrestief (siehe die parallele Bewegung in Graphik 1.)  Im Staatsbudget 2014 wurde noch mit einem Preis vom 100$/Fass und einem Rubel/Dollar Wert von 37,70 kalkuliert. Gegenwärtig schwankt der Kurs um 64 Rbl/$.

Die Zentralbank hat  immer wieder (im März nach der Kreml Invasion, in  Oktober, im Dezember..) zur Stützung der Währung interveniert, insgesamt mit ca. 87 Mrd. $ in 2014. Die Währungsreserven sind im Jahresverlauf  von 450 Mrd. $ auf 379.4 Mrd. $ heute gesunken. Ein Teil dieser Reserven ist in dem Reserve- sowie dem Wohlfahrtsfonds angelegt, dessen Mittel nun für finanzielle Assistenz an in Liquiditätsnot geratenen Grossfirmen und Banken verwendet werden. Es wird geschätzt, dass ohne diese Fonds die verfügbare Reserven nur bei 150 Mrd. $ liegen.

Parallel zu dem Schwund der offiziellen Reserven erreichte die Kapitalflucht (= Netto Kapitalabfluss) 2014 die Höhe von 150 Mrd. $. Zwar weist die Ertragsbilanz dank der radikalen Kürzung der Importe einen Überschuss auf, der jedoch die Kapitalabflüsse nicht kompensieren kann. Als Gegenmassnahme hat die Zentralbank in mehreren Schritten den Leitzins um 11% auf 17 % erhöht.

Wie geht es weiter?

Die Verteuerung der Investitionen, Hand in Hand mit dem erschwerten Zugang zu den internationalen Finanzmärkten als Folge der EU- und US- Sanktionen, dürfte zur drastischen Reduktion der Investitionstätigkeit führen. Die Konsumenten werden ihrerseits den Konsum einschränken, denn die Inflation stieg auf 11.4 % am Jahresende und es wird mit einer Steigerung auf 15-17% im weiteren Jahresverlauf 2015 gerechnet – insbesondere wegen der als Retorsionsmassnahme verhängten Importbeschränkung, vor allem von Lebensmitteln. Der Wachstumseffekt der Importsubstitution durch die Erhöhung der inländischen Produktion dürfte jedoch gering bleiben.

Eine Rezession wird unausweichlich. Gleichzeitig verschärft sich die Situation im Bankensystem. Höhere Refinanzierungskosten und ausstehende Fremdwährungskredite dürften zur Zunahme der faulen Kredite führen und belasten die Bilanzen. Die staatliche Unterstützung von schwächelnden Banken liegt gegenwärtig in der Grössenordnung von 2% des BIP. Weitere Schritte, den Banken Zugang zum Kapital zu erleichtern, sind in der Pipeline.

Angesichts der engen Korrelation der Rubel- und Ölpreisentwicklung ist  die wichtigste Frage:

Was macht der Ölpreis?

Vorerst ist keine Trendwende in Sicht.  Mitte Januar schien es, dass der Ölpreis Marke Brent mit 50$/Fass den Boden gefunden hat. Dann hat Irak die Produktion stark erhöht, während Russland in Dezember mit 10.67 Mio. Fass pro Tag den postsowjetischen Rekord erreicht hatte. Die Internationale Energieagentur geht von einem nur geringfügig kleineren Angebot in den nächsten 6 Monaten aus. Entscheidend ist, dass vor allem die Schiefergasförderer in den USA bei diesem Preisniveau ihre Investitionen zurückfahren. Doch eine Preiserholung kann erst verzögert wahrgenommen werden wegen grosser Lagervorräte. Immerhin ist eine voraussichtliche Steigerung auf 60-70$/Fass am Ende 2015 realistisch.

Weil Russland so abhängig ist von den Rohstoffpreisen – zwei Drittel der Exporteinnahmen stammen aus Öl- und Gasexporten und dieser Anteil ist ständig von 50% der Exporte im Jahr 2000 gestiegen – bleibt die Lage volatil, abhängig von geopolitischen Faktoren.

Graphik 2: Historische Ölpreisentwicklung im Kontext des weltpolitischen Geschehens

 

Quelle: Bloomberg data

Das Staatsbudget gerät unter Druck: Weil bei einem Ölpreis von nur 50$/Fass ein Einnahmenrückgang von ca. 45 Mrd. $ zur Folge hätte, sollen Staatsausgaben – ausser für die Verteidigung, 2015 um 10% gekürzt werden.  2014 wurde das Militärbudget auf 69 Mrd. $ erhöht, in 2015 sollen die Verteidigungsausgaben auf 84 Mrd. $ steigen. Mit einem anspruchsvollen Modernisierungsprogramm der Armee (bis 2016 auf 21% der Totalausgaben), muss in anderen Bereichen gespart werden. Das Gesundheits- und Bildungswesen muss wieder zurückstecken. Doch droht 2015 ein Budgetdefizit von bis zu 3% des BIP. Dieses soll aus dem  Reservefonds finanziert werden, nachdem im ersten Quartal zuerst die Banken rekapitalisiert worden sind. Weil die Fondsgelder in Fremdwährungsanlagen investiert waren, ist deren Rubelwert bis zu 70 % 2014 gestiegen und kann auch für Fiskalzwecke verwendet werden

Fazit

Lange wurde mit den hohen russischen Währungsreserven argumentiert als einem sicheren Anker.   Doch auch wenn ein Staatsbankrott* voraussichtlich abgewendet werden kann (und – kurzfristig –  eine Entspannung der Lage durch die Vorauszahlung für russische Exporte aus China eintritt), „kaufen“ die  Reserven nur Zeit. Strukturreformen und der Aufbau von Vertrauen sind eine längerfristige Aufgabe. Es scheint nicht, dass Putin in dieser Richtung arbeitet. Er setzt eher auf die militärische Karte. Die aussenwirtschaftliche Aktivität der russischen Führung, gerichtet auf Gewinnung neuer Märkte, kann nicht kurzfristig Früchte tragen. Schwer vorauszusagen, wie lange die Bevölkerung, welche ein sinkendes Realeinkommen in Kauf nehmen muss, Putin die Stange hält.

 

*Nachsatz: Die Ratingagentur Standard & Poor‘s hat am 26.1.2015 die Kreditwürdigkeit Russlands auf Ramschniveau (BB+) herabgestuft. Somit wird die Wahrscheinlichkeit höher eingestuft, dass Staatsanleihen Russlands nicht bedient werden können.

Veranstaltung zur Ukraine am 26.11. in Bern

 

Auswirkungen der Krise in der Ost-Ukraine

  25 Jahre nach der Wende, 20 Jahre Forum Ost-West 

am 26. November 2014 im LE CAP, Predigergasse 3, 3011 Bern

Nach der Einführung von Max Schmid, – war 16 Jahre Korrespondent Radio DRS u.a. in Moskau – referiert Gerhard Simon, Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität Köln, über seine Analyse der Situation in der Ukraine. Marcus Bensmann, Journalist, berichtet über Aktuelles. Roman Berger, Journalist und Publizist, war kurz zuvor in Moskau und beteiligt sich an der Diskussion. Der Nettoerlös geht an unsere Hilfs-Projekte für die Ukraine: Lieferungen von Spitalbetten und Winterkleidern.

 

16.50h Empfang zum Anlass Petra   Dobrovolny
17.05h

 

Begrüßung Georg   J. Dobrovolny

 

17.07h Einführung

 

Max Schmid

 

17.15h

 

Wohin treibt die Ukraine?

Der Krieg im Osten: Ursachen und Konsequenzen

Prof. Dr. G. Simon
   
18.00h   Aktuelle Lage in Donbass und mögliche Folgen                          Marcus Bensmann

 

18.20h Diskussion mit den Referenten und Roman Berger

Sowie mit dem Publikum moderiert von

 

Max Schmid

 

18.50h Apéro,   Gelegenheit zum Networking
  Gönner und Sponsoren des Anlasses werden gesucht
19.30h  Ende der   Veranstaltung                      Programmänderungen   vorbehalten

 

 Kostenbeitrag Fr. 50.-, für Mitglieder Fr.   30.-, für Studierende Fr. 10.-

Anmeldung wegen beschränktem Platz erforderlich bis zum   15.11.

Sie erreichen  das Zentrum „Le Cap“- Centre d’accueil paroissial de l‘Eglise Française an der Predigergasse 3,  im ersten Stock, vom Bahnhof Bern aus in ca. 10 Min. zu Fuss. Mit dem Tram 9 – Richtung  Wankdorf  bis Zytglogge, links am Kornhaus vorbei, um die Eglise Française herum, rechts in die Predigergasse einbiegen, zweiter Eingang, angeschrieben mit „Le Cap“. Parkplätze finden Sie im City Parking am Waisenhausplatz oder Parking Rathaus.

FORUM OST-WEST  www.forumostwest.ch  Georg J. Dobrovolny, Dr. oec., Geschäftsführer

Postfach 139, 3095 Spiegel Ÿ Tel. 0041 31 372 31 03 / 0041 79 206 26 63 Ÿ gd@forumostwest.ch

Unser Konto bei der Postfinance: CH58 0900 000 30000 4299 4

Wie kann die Ukraine wirtschaftlich überleben?

Wie kann die Ukraine wirtschaftlich überleben?

Eine Analyse von Dr. rer. pol. Stanislava Brunner, Vorstandsmitglied des Forums Ost-West

Wenn wir von dem Szenario ausgehen, dass Putins Armee das Territorium der Ukraine nicht bedroht, und die jetzige Regierung in Kiew für genügend Stabilität sorgen kann, werden wirtschaftliche Fragen in den Vordergrund rücken.

Akut ist der finanzielle Notstand, weil Ukraine laut UBS bis Ende 2015 etwa 15.6 Mrd. $ an Fremdkrediten zurückzahlen muss. Und 15 Mrd. $ beträgt die Summe, welche Russland noch in Dezember 2013 Ukraine als Kredit zugesagt, nachher jedoch eingefroren  hatte.  Wenn auch der in Dezember gewährte Preisnachlass für russisches Erdgas ausbleibt, und die Landeswährung Hrywna weiter fällt, steuert Ukraine auf die Zahlungsunfähigkeit zu.  Die Reserven der Nationalbank sind als Folge der Stützkäufe ca. auf 16 Mrd. $ bzw. 8% des (Bruttoinlandsprodukt)  BIP gesunken.

Die EU-Kommission will Ukraine mit mindestens 11 Mrd. Euro beistehen – mit Mitteln aus dem Gemeinschaftshaushalt und der EU- Finanzorganisationen. Die Europäische Bank für Wiederaufbau (EBRD) ist bereit, Ukraine mit Investitionen von mindestens 5 Mrd. Euro über die Periode bis 2020 zu unterstützen. Die Voraussetzung ist, dass Reformen in Angriff genommen werden, wofür ein Abkommen der Ukraine mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sorgen sollte. Ein IWF-Team verschafft sich gegenwärtig vor Ort Klarheit über die Staatsfinanzen. Die Weltbank hat zur Stabilisierung des Landes 3 Mrd. $ an Hilfsgeldern in Aussicht gestellt.

Die weitverbreitete Korruption und Behördenwillkür lähmen die Wirtschaft, bremsen Strukturreformen und verhindern  Auslandinvestitionen. Deswegen liegen  laut EBRD die Schlüsselprioritäten der Reformen im institutionellem Umfeld und den Massnahmen gegen die endemische Korruption.

Aktuelle Wirtschaftsfakten: BIP liegt bei 130 Mrd. Euro (Deutschland 2700Mrd.), das pro Kopf Einkommen  beträgt etwa 2840 Euro und die Wirtschaft befindet sich seit Ende 2012 in der Rezession. Die Landwirtschaft ist mit den Weizenexporten ein wichtiger Sektor, neben der Schwerindustrie (Stahlproduktion, Lokomotiv – und Maschinenbau) –  mit allerdings sehr veralteten Anlagen. Ebenfalls exportrelevant sind Rohstoffe wie Eisenerz, Mangan und  Kohle. Energiemässig ist Ukraine vor allem von Gasimporten abhängig, wovon 58% aus Russland kommen.

Aussichten:  Da sich der angestrebte Freihandel mit der EU und die Vorzugsbehandlung durch Russland ausschliessen, werden die EU und die Ukraine mit zusätzlichen Kosten konfrontiert. Die Abschaffung der Zollschranken zwischen Ukraine und der EU  (vorläufig von der EU einseitig reduziert)  wird nicht ein so grosser Gewinn sein, da damit für Ukraine auch Importzolleinnahmen wegfallen. Die notwendigen Reformen werden schmerzhaft sein – sowohl die Sparmassnahmen als auch die Anpassung der subventionierten Gaspreise. Auch die Staatshilfen für die Unternehmen bleiben aus, bei gleichzeitiger Aussetzung der ukrainischen Wirtschaft dem freien Wettbewerb. Kurzfristig wird sich die Rezession vertiefen.

Das heisst, dass sich die Vorteile der Öffnung der Ukraine gegenüber dem Westen erst mittel- bis langfristig einstellen. Mit der Übernahme europäischer Normen wird sich das Investitionsklima verbessern und mit wachsenden Auslandsinvestitionen wird die Modernisierung vorwärtsgetrieben. Doch kurzfristig stellt sich die Frage, ob die schmerzhafte Umstellung der Wirtschaft politisch verkraftbar ist.

Zürich, den 20.03.2014